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Verhalten von Führungskräften (Führungsstil)

Ein Beitrag von Dirk Werhahn

Der Ansatz, Führungserfolg über das Verhalten zu erklären, war für die Führungsforschung sehr wichtig und findet sich auch heute noch „in breiten Teilen der Managementliteratur und in den Köpfen der Führungskräfte weiter“ (Steiger 2013, S. 41).

Verhaltensorientierte Ansätze zielen nicht auf die Eigenschaften und somit auf die Persönlichkeit von Führungskräften, sondern sie beobachten das Verhalten (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 483). Dabei wird versucht herauszufinden, welches Verhalten zu besonders guten Ergebnissen führt (vgl. Merchel 2010, S. 55).

Neuberger macht darauf aufmerksam, dass es schwer ist, Führungsverhalten zu messen. Denn dieses sei nur in Zusammenhängen zu verstehen (vgl. Neuberger 2002, S. 425). Er ist der Auffassung, dass isolierte Beiträge (Freundlichkeit, Entscheidungen etc.) nicht ausreichen, um Verhalten messen zu können. Zudem müsse der Kontext (Sprache, Sitten etc.) verstanden werden, in dem Verhalten stattfindet (vgl. Neuberger 2002, S. 425). Aus den einzelnen Verhaltensdimensionen müsse sich ein Bauplan ergeben. Führungsstile sind solche Baupläne (vgl. Neuberger 2002, S. 426). Somit kommt den Führungsstilen eine wichtige Rolle zu.

Nach Wunderer ist ein Führungsstil „ein innerhalb von Bandbreiten von ähnlichen »Führungskontexten« konsistentes, typisiertes und wiederkehrendes Führungsverhalten“ (Wunderer 2009, S. 16). Dabei wird davon ausgegangen, dass sich Führungskräfte über eine längere Zeit hinweg in unterschiedlichen Situationen gleich verhalten können (vgl. Steinmann 2013, S. 599).

Auslöser der Forschung zum Führungsverhalten waren „politisch motivierte Experimente“ von Lewin, Lippitt und White im Jahr 1939, die in Studien an Schülern drei Führungsstile (autoritär, demokratisch und laisser-faire) beschrieben haben (vgl. Neuberger 2002, S. 426).

Die weitere Entwicklung der Führungsstile basiert auf den Ergebnissen zweier Forschungsgruppen, die sich ab Ende der 1940 Jahre sehr intensiv mit dem Verhalten von Führungskräften beschäftigten (vgl. Wunderer 2009, S. 205 f): Zum einen eine Gruppe der University of Michigan um Likert (1961), die zwei grundlegende Muster (Extrempole eines Kontinuums) herausfanden: Aufgaben- und Mitarbeitendenorientierung. Deren Erkenntnis war, dass mitarbeitenden­orientierte Führungskräfte effizienter und effektiver waren (vgl. Steinmann 2013, S. 599; Wunderer 2009, S. 206) Laut Wunderer ist das Führungsstilkontinuum von Tannenberg/Schmidt aus dem Jahr 1958 das bekannteste eindimensionale Modell. Dabei werden nach dem Grad der Mitarbeiten­denbeteiligung sieben Führungsstile unterschieden (vgl. Wunderer 2009, S. 208).

Die andere Gruppe von der Ohio State University um Hempill sowie Hapin und Winer fanden in den Jahren 1950 bzw. 1952 heraus, dass sich das Verhalten in zwei Dimensionen abbilden lässt. Die Dimensionen aus der Michigan-Gruppe wurden aber nicht mehr als „entweder-oder“ sondern als „sowohl-als-auch“ betrachtet (vgl. Steinmann 2013, S. 608; Wunderer 2009, S. 205 f). Das „Verhaltensgitter“ von Blake/Mouton aus dem Jahr 1976 gilt als das populärste zweidimensionale Modell, das in der Tradition der Ohio-Studien steht (vgl. Wunderer 2009, S. 209).

Wunderer kritisiert die beiden Modelle. So wird bei Tannenbaum/Schmidt der Führungsstil auf das Entscheidungsverhalten der Führungskraft reduziert. Das bedeutet, dass das Thema Macht zwar Eingang in das Konzept gefunden hat, dass jedoch die soziale Komponente der Vorgesetzten-Mitarbeitenden-Beziehung ausgeblendet ist. Im Verhaltensgitter von Blake/Mouton wird die Beziehung berücksichtigt, doch es wird die Machtfrage mehr oder weniger ausgeblendet (vgl. Wunderer 2009, S. 209 f).

Wunderer hat ein Führungsstilkonzept entwickelt, nach dem die Führungsstile durch die Faktoren Partizipation (Teilhabe) und prosoziale Beziehungsgestaltung (Teilnahme) beschrieben werden. Somit hat Führung eine Machtdimension (Entscheidungsbeteiligung bzw. Autonomie) und eine prosoziale Dimension (Vertrauen, Unterstützung und Akzeptanz) (vgl. Wunderer 2009, S. 210).

Stock-Homburg beschreibt, dass die zweidimensionalen Modelle durch weitere Dimensionen ergänzt wurden (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 488). Stock-Homburg kann unterschiedliche Ausprägungen von Führungsverhalten in Bezug auf die drei Dimensionen Mitarbeiterorientierung, Leistungsorientierung und Kundenorientierung nachweisen. (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 488 ff).

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Auswertung diverser Studien zu Führungsstilen zeigen, dass es keinen Führungsstil gibt, der eine generelle Überlegenheit im Bezug auf Führungserfolg hat (vgl. Neuberger 2002, S. 432; Steiger 2013, S. 43).

Steiger stellt auch fest, dass dies damit zusammenhängt, dass der Führungserfolg von der konkreten Situation abhängt (vgl. Steiger 2013, S. 43). Wenn Führungsverhalten als „immer wieder neu ausgehandelte Form der Beziehungsgestaltung“ verstanden wird, bei der Bedingungen und Folgen sich gegenseitig definieren, dann kann Führungsverhalten nicht mehr als unabhängige Variable verstanden werden (vgl. Neuberger 2002, S. 433).

Trotz aller Kritik hat die Führungsstilforschung einen wichtigen Beitrag geleistet, indem diese aufgezeigt hat, dass es nicht den einen richtigen Führungsstil gibt (vgl. Steiger 2013, S. 43). So gibt es nach Rosenstiel „nicht „die“ optimalen Führungseigenschaften, nicht „den“ besten Führungsstil, nicht „das“ ideale Führungsverhalten“ (Rosenstiel 2009, S. 13).

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Quellen:

Merchel, Joachim: Leitung in der sozialen Arbeit. Grundlagen der Gestaltung und Steuerung von Organisationen. 2. Aufl. Weinheim 2010.

Neuberger, Oswald: Führen und führen lassen. Ansätze, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung. (UTB für Wissenschaft, Bd. 2234). 6. Aufl. Stuttgart 2002.

Rosenstiel, Lutz v.: Grundlagen der Führung. In: Rosenstiel, Lutz v./Domsch, Michel/Regnet, Erika (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern. Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement. 6. Aufl. Stuttgart 2009, S. 3–27.

Steiger, Thomas: Das Rollenkonzept der Führung. In: Steiger, Thomas/Lippmann, Eric (Hrsg.): Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte. Führungskompetenz und Führungswissen. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Berlin, Heidelberg 2013, S. 35–61.

Steinmann, Horst: Management. Grundlagen der Unternehmensführung Konzepte – Funktionen – Fallstudien. [S.l.] 2013

Stock-Homburg, Ruth: Personalmanagement. Theorien – Konzepte – Instrumente. (Lehrbuch). 3. Aufl. Wiesbaden 2013.

Wunderer, Rolf: Führung und Zusammenarbeit. Eine unternehmerische Führungslehre. 8. Aufl. Köln 2009.

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Eigenschaften von Führungskräften

Ein Beitrag von Dirk Werhahn

Unter Eigenschaftstheorien werden alle Ansätze verstanden, die sich mit der Person der Führungskraft auseinandersetzen (vgl. Neuberger 2002, S. 226). Dabei sind menschliche Eigenschaften Konstrukte, die Menschen nicht direkt erfassen können, sondern erschlossen werden müssen (vgl. Neuberger 2002, S. 226).

Welche Eigenschaften gute Führungspersonen auszeichnen wurde umfangreich erforscht. Rosenstiel gruppiert die Persönlichkeitsmerkmale wie folgt: Befähigung, Leistung, Verantwortlichkeit, Teilnahme und Status (vgl. Rosenstiel 2009, S. 6 f) und beschreibt, dass Führungskräfte mindestens durchschnittlich intelligent sein, gute Sozialkompetenzen aufweisen und eine starke Zielorientierung haben sollen. Zudem sollten sie offen sein für Neues und gerne Neues lernen (vgl. Rosenstiel 2009, S. 9). Wunderer zählt die wesentlichen Anforderungen an Führungskräfte aus einer internationalen Studie auf: Herausragende Führungskräfte sind integer und inspirierend, vermitteln Visionen und haben eine Leistungs- und Teamorientierung. Negative Eigenschaften seien Narzissmus, Autokratie und Rücksichtslosigkeit (vgl. Wunderer 2009, S. 23; siehe auch Kouzes/Kinkel/Posner 2008, S. 44 ff). Neuberger nennt die Eigenschaften, die nach Stogdill als besonders erfolgreich gelten: „Intelligenz; Aktivität, Energie; Erziehung, sozialer Status; Aufstiegswille, Dominanz; Selbstvertrauen; Leistungsmotiv, Drang, andere zu übertreffen; Kontaktfähigkeit, soziale Fertigkeiten“ (Neuberger 2002, S. 232).

Die Kritik an den Eigenschaftstheorien von Führung nimmt die Erfahrungen auf, dass die Vorhersagen, die anhand von Eigenschaften über Führungskräfte gemacht wurden, kaum mit deren Bewährung in der Praxis übereinstimmen (vgl. Steinmann 2013, S. 595). Neuberger verweist auf eine Studie von McCall/Lomborgo. Diese weisen nach, dass sich erfolgreiche von nicht erfolgreichen Führungskräfte nur geringfügig in den relevanten Eigenschaften unterscheiden (vgl. Neuberger 2002, S. 235). Kritisch sei zudem, dass sich unter bestimmten Bedingungen bestimmte Eigenschaften realisieren lassen. In anderen Fällen habe das jedoch keine Auswirkung (vgl. Rosenstiel 2009, S. 7).

Steinmann benennt drei Gründe dafür, warum der Ansatz gescheitert sei: Es werden nicht alle Kriterien (Alter, Erbschaft etc.) berücksichtigt, die Grundlage für die Entscheidung sind, wem eine entsprechende Führungsaufgabe übertragen wird. Zweitens hat sich die Annahme nicht bestätigt, dass Persönlichkeitsmerkmale in verschiedenen Situationen gleiches Verhalten auslösen. Vielmehr wurde deutlich, dass Verhalten aus Person und Situation entsteht. Drittens hat sich herausgestellt, dass es keine allgemeingültigen Führungseigenschaften gibt, sondern dass die unterschiedlichen Führungssituationen auch unterschiedliche Anforderungen an Führungskräfte stellen (vgl. Steinmann 2013, S. 595).

Steiger sieht die Annahme überholt, dass es nur auf Charaktereigenschaften der Führungskräfte ankommt, wenn der Führungserfolg beschrieben werden soll. Das liegt vor allem daran, dass es für Führungserfolg keine monokausalen Erklärungen gibt (vgl. Steiger 2013, S. 41).

Dennoch wird an den Eigenschaftsansätzen festgehalten, wofür Neuberger einige Gründe nennt (vgl. Neuberger 2002, S. 241 f):

  1. Im westlichen Individualismus ist es kulturell verankert, dass die Leistungen auf einzelne Personen zurückgeführt werden.
  2. Mit der Vorstellung, dass einzelne Personen beherrschbar sind, ist die Zuversicht verbunden, dass auch Systeme gesteuert werden können.
  3. Belohnungs- und Kontrollsysteme sind auf einzelne Leistungen ausgerichtet.
  4. Einzelne Personen sind greifbar.
  5. Personen definieren sich in der westlichen Welt über Leistungen, die ihr persönlich zugeschrieben werden.
  6. Es herrscht die Vorstellung, dass es von den einzelnen Personen abhängt, ob sie ihre Potenziale in Performanz (Leistung) umsetzt.

Rosenstiel weist bei aller Kritik darauf hin, dass die Eigenschaften der Führungspersonen nicht irrelevant sind. Doch hängt der jeweilige Führungserfolg auch von der Situation und den Eigenschaften der Personen ab, mit denen die Führungskraft in Interaktion steht (vgl. Rosenstiel 2009, S. 9). In Bezug auf neuere Führungsansätze ist interessant, dass es eine Renaissance der Forderungen nach charismatischen Führungspersönlichkeiten gibt (vgl. Wunderer 2009, S. 25).

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Quellen:

Kouzes, James M./Kinkel, Silvia/Posner, Barry Z.: Leadership Challenge. Deutschsprachige Ausgabe. 1. Aufl. Weinheim, Bergstr 2008.

Neuberger, Oswald: Führen und führen lassen. Ansätze, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung. (UTB für Wissenschaft, Bd. 2234). 6. Aufl. Stuttgart 2002.

Rosenstiel, Lutz v.: Grundlagen der Führung. In: Rosenstiel, Lutz v./Domsch, Michel/Regnet, Erika (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern. Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement. 6. Aufl. Stuttgart 2009, S. 3–27.

Steiger, Thomas: Das Rollenkonzept der Führung. In: Steiger, Thomas/Lippmann, Eric (Hrsg.): Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte. Führungskompetenz und Führungswissen. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Berlin, Heidelberg 2013, S. 35–61.

Steinmann, Horst: Management. Grundlagen der Unternehmensführung Konzepte – Funktionen – Fallstudien. [S.l.] 2013

Wunderer, Rolf: Führung und Zusammenarbeit. Eine unternehmerische Führungslehre. 8. Aufl. Köln 2009.

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