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Aktuelle Führungsansätze

Ein Beitrag von Dirk Werhahn, M.A.

Nach Yukl wurden viele tausend empirische Studien durchgeführt, um effektives Führen zu verstehen. Die meisten Ergebnisse sind jedoch nicht stabil, inkonsistent und schwer zu interpretieren (vgl. Yukl 2014, S. 418). Auch stellt er fest, dass die Konfusion in der Führungsforschung auch in vielen Publikationen sichtbar wird (vgl. Yukl 2014, S. 418 f). Dies liegt an den disparaten Denkansätzen, die Ausbreitung von unübersichtlichen Bezeichnungen, an der Verengung der Forschungsansätze, den Versuchen, einfache Lösungen zu finden und das Vertrauen in schwache Forschungsmethoden (vgl. Yukl 2014, S. 419).

Trotz dieser Konfusion werden im Folgenden die aktuelleren Führungsanätze zusammengefasst. Diese basiert auf den Beiträgen von Lang/ Rybnikova (2014), Stock-Homburg (2013), Walenta (2012), Winkler (2004) und Wunderer (2009).

Nach Lang/Rybnikova bedeuten die neueren Führungsansätze auch einen Übergang von der Verhaltensperspektive zur Prozessperspektive. Damit verbunden ist die teilweise Abkehr von „stark reduktionistischen Modellen“ bei denen Führung im „psychologischen Mikrokosmos“ angesiedelt ist und die Einflüsse aus der Umwelt der Organisation weitestgehend ausgeblendet hatten (vgl. Lang/Rybnikova 2014, S. 20). Führung lässt sich nicht mehr einfach beschreiben, denn die „Welt der klassischen Führungstheorien mit ihren klaren, eindimensionalen Konzepten ist einer „postmodernen Führungswelt“ gewichen, die mit den Begriffen der Ambiguität, Mehrdeutigkeit oder der Unschärfe („Fuzzyness“) recht gut beschrieben werden kann“ (Lang/Rybnikova 2014, S. 6, Herv. Autor).

Winkler beschreibt, welche Merkmale die neuen Führungsansätze auszeichnet (vgl. Winkler 2014, S. 3 f; siehe auch Lang/Rybnikova 2014, S. 20 f; Steiger 2013, S. 36; Stock-Homburg 2013, S. 523 ff). :

  • In vielen neueren Ansätzen wird der Führungsprozess als Interaktionsprozess beschrieben. Dabei handeln die Mitglieder einer Organisation bewusst und beeinflussen sich gegenseitig.
  • Des Weiteren wird in den meisten Konzepten darauf abgehoben, dass die subjektive Wahrnehmung einen wesentlichen Einfluss darauf hat, wie die Führungsbeziehung entsteht und ausgestaltet wird. Die Menschen handeln dabei nicht in objektiven sondern in der jeweiligen Wirklichkeitskonstruktionen.
  • Bei den neueren Führungsansätzen werden die Führungskontexte komplex, dynamisch und mehrdeutig beschrieben.
  • Auch heben neuere führungstheoretische Ansätze darauf ab, dass Führungsforschung eher beschreibend gestaltet wird, als (schnelle) Handlungsempfehlungen zu geben
  • Darüber hinaus nimmt der Aspekt der kulturübergreifenden Einflüsse einen breiteren Raum ein (vgl. Walenta 2012, S. 498 f).

Wunderer weist darauf hin, dass nach den neueren Führungstheorien u. a. die Aufgabe der Führungskräfte darin besteht, Sinn und Freude an der Arbeit zu vermitteln. Führungskräfte sollen Motivationsbarrieren abbauen und inspirierend sein und Visionen vermitteln. Zudem sollen sie die Mitarbeitenden auch individuell unterstützen und bei der Weiterentwicklung der unternehmerischen Werte mitwirken (vgl. Wunderer 2009, S. 544; siehe auch Wimmer/Meissner/Wolf 2009, S. 186).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei den neueren Führungsansätzen folgende Schwerpunkte im Blick sind:

  • Es stehen die Interaktionen und die Beziehung der einzelnen Akteure mehr im Fokus.
  • Die Akteure haben eine subjektive Wahrnehmung und verfolgen jeweils eigene Ziele.
  • Zudem können sie unterschiedliche Erwartungen haben.
  • Darüber rückt die Sinnhaftigkeit des Handelns deutlicher in den Mittelpunkt.
  • Außerdem wird deutlich, dass Führung in dynamischen Kontexten stattfindet, die oftmals mehrdeutig sind.

Diese Ausführungen machen aber auch deutlich, dass es nicht gelingen wird, „allgemeingültige Regeln zur Beherrschung von Führung zu formulieren“ (vgl. Steiger 2013, S. 36).

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Quellen

Lang, Rainhart/Rybnikova, Irma (Hrsg.): Aktuelle Führungstheorien und -konzepte. Wiesbaden 2014

Steiger, Thomas: Das Rollenkonzept der Führung. In: Steiger, Thomas/Lippmann, Eric (Hrsg.): Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte. Führungskompetenz und Führungswissen. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Berlin, Heidelberg 2013, S. 35–61.

Stock-Homburg, Ruth: Personalmanagement. Theorien – Konzepte – Instrumente. (Lehrbuch). 3. Aufl. Wiesbaden 2013.

Walenta, Christa: Empirie der Führung. In: Heimerl, Peter/Sichler, Ralph (Hrsg.): Strategie, Organisation, Personal, Führung. (Bd. 3517). Wien 2012, S. 495–525.

Winkler, Ingo: Aktuelle theoretische Ansätze der Führungsforschung. https://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl5/forschung/schriften/doc/lehr_%20AnsaetzeFuehrungsforschung.pdf. 25.04.2014.

Wimmer, Rudolf/Meissner, Jens O./Wolf, Patricia: Praktische Organisationswissenschaft. Lehrbuch für Studium und Beruf. (Management, Organisationsberatung). Heidelberg 2009.

Wunderer, Rolf: Führung und Zusammenarbeit. Eine unternehmerische Führungslehre. 8. Aufl. Köln 2009.

Yukl, Gary: Leadership in Organizations. 18. Aufl. Noida 2014

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Eigenschaften von Führungskräften

Ein Beitrag von Dirk Werhahn

Unter Eigenschaftstheorien werden alle Ansätze verstanden, die sich mit der Person der Führungskraft auseinandersetzen (vgl. Neuberger 2002, S. 226). Dabei sind menschliche Eigenschaften Konstrukte, die Menschen nicht direkt erfassen können, sondern erschlossen werden müssen (vgl. Neuberger 2002, S. 226).

Welche Eigenschaften gute Führungspersonen auszeichnen wurde umfangreich erforscht. Rosenstiel gruppiert die Persönlichkeitsmerkmale wie folgt: Befähigung, Leistung, Verantwortlichkeit, Teilnahme und Status (vgl. Rosenstiel 2009, S. 6 f) und beschreibt, dass Führungskräfte mindestens durchschnittlich intelligent sein, gute Sozialkompetenzen aufweisen und eine starke Zielorientierung haben sollen. Zudem sollten sie offen sein für Neues und gerne Neues lernen (vgl. Rosenstiel 2009, S. 9). Wunderer zählt die wesentlichen Anforderungen an Führungskräfte aus einer internationalen Studie auf: Herausragende Führungskräfte sind integer und inspirierend, vermitteln Visionen und haben eine Leistungs- und Teamorientierung. Negative Eigenschaften seien Narzissmus, Autokratie und Rücksichtslosigkeit (vgl. Wunderer 2009, S. 23; siehe auch Kouzes/Kinkel/Posner 2008, S. 44 ff). Neuberger nennt die Eigenschaften, die nach Stogdill als besonders erfolgreich gelten: „Intelligenz; Aktivität, Energie; Erziehung, sozialer Status; Aufstiegswille, Dominanz; Selbstvertrauen; Leistungsmotiv, Drang, andere zu übertreffen; Kontaktfähigkeit, soziale Fertigkeiten“ (Neuberger 2002, S. 232).

Die Kritik an den Eigenschaftstheorien von Führung nimmt die Erfahrungen auf, dass die Vorhersagen, die anhand von Eigenschaften über Führungskräfte gemacht wurden, kaum mit deren Bewährung in der Praxis übereinstimmen (vgl. Steinmann 2013, S. 595). Neuberger verweist auf eine Studie von McCall/Lomborgo. Diese weisen nach, dass sich erfolgreiche von nicht erfolgreichen Führungskräfte nur geringfügig in den relevanten Eigenschaften unterscheiden (vgl. Neuberger 2002, S. 235). Kritisch sei zudem, dass sich unter bestimmten Bedingungen bestimmte Eigenschaften realisieren lassen. In anderen Fällen habe das jedoch keine Auswirkung (vgl. Rosenstiel 2009, S. 7).

Steinmann benennt drei Gründe dafür, warum der Ansatz gescheitert sei: Es werden nicht alle Kriterien (Alter, Erbschaft etc.) berücksichtigt, die Grundlage für die Entscheidung sind, wem eine entsprechende Führungsaufgabe übertragen wird. Zweitens hat sich die Annahme nicht bestätigt, dass Persönlichkeitsmerkmale in verschiedenen Situationen gleiches Verhalten auslösen. Vielmehr wurde deutlich, dass Verhalten aus Person und Situation entsteht. Drittens hat sich herausgestellt, dass es keine allgemeingültigen Führungseigenschaften gibt, sondern dass die unterschiedlichen Führungssituationen auch unterschiedliche Anforderungen an Führungskräfte stellen (vgl. Steinmann 2013, S. 595).

Steiger sieht die Annahme überholt, dass es nur auf Charaktereigenschaften der Führungskräfte ankommt, wenn der Führungserfolg beschrieben werden soll. Das liegt vor allem daran, dass es für Führungserfolg keine monokausalen Erklärungen gibt (vgl. Steiger 2013, S. 41).

Dennoch wird an den Eigenschaftsansätzen festgehalten, wofür Neuberger einige Gründe nennt (vgl. Neuberger 2002, S. 241 f):

  1. Im westlichen Individualismus ist es kulturell verankert, dass die Leistungen auf einzelne Personen zurückgeführt werden.
  2. Mit der Vorstellung, dass einzelne Personen beherrschbar sind, ist die Zuversicht verbunden, dass auch Systeme gesteuert werden können.
  3. Belohnungs- und Kontrollsysteme sind auf einzelne Leistungen ausgerichtet.
  4. Einzelne Personen sind greifbar.
  5. Personen definieren sich in der westlichen Welt über Leistungen, die ihr persönlich zugeschrieben werden.
  6. Es herrscht die Vorstellung, dass es von den einzelnen Personen abhängt, ob sie ihre Potenziale in Performanz (Leistung) umsetzt.

Rosenstiel weist bei aller Kritik darauf hin, dass die Eigenschaften der Führungspersonen nicht irrelevant sind. Doch hängt der jeweilige Führungserfolg auch von der Situation und den Eigenschaften der Personen ab, mit denen die Führungskraft in Interaktion steht (vgl. Rosenstiel 2009, S. 9). In Bezug auf neuere Führungsansätze ist interessant, dass es eine Renaissance der Forderungen nach charismatischen Führungspersönlichkeiten gibt (vgl. Wunderer 2009, S. 25).

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Quellen:

Kouzes, James M./Kinkel, Silvia/Posner, Barry Z.: Leadership Challenge. Deutschsprachige Ausgabe. 1. Aufl. Weinheim, Bergstr 2008.

Neuberger, Oswald: Führen und führen lassen. Ansätze, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung. (UTB für Wissenschaft, Bd. 2234). 6. Aufl. Stuttgart 2002.

Rosenstiel, Lutz v.: Grundlagen der Führung. In: Rosenstiel, Lutz v./Domsch, Michel/Regnet, Erika (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern. Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement. 6. Aufl. Stuttgart 2009, S. 3–27.

Steiger, Thomas: Das Rollenkonzept der Führung. In: Steiger, Thomas/Lippmann, Eric (Hrsg.): Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte. Führungskompetenz und Führungswissen. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Berlin, Heidelberg 2013, S. 35–61.

Steinmann, Horst: Management. Grundlagen der Unternehmensführung Konzepte – Funktionen – Fallstudien. [S.l.] 2013

Wunderer, Rolf: Führung und Zusammenarbeit. Eine unternehmerische Führungslehre. 8. Aufl. Köln 2009.

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