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Burnoutprophylaxe durch Führungskräfte

Ein Beitrag von Dirk Werhahn

Burnout ist nichts Neues. Schon im Alten Testament mahnt Jitro seinen Schwiegersohn Moses: „Es ist nicht gut, wie du das tust. Du machst dich zu müde, dazu auch das Volk, das mit dir ist. Das Geschäft ist dir zu schwer, du kannst es allein nicht ausrichten“ (2. Mose 18, 17–18).

Auch wenn es nach wie vor keine einheitliche Definition gibt, die in der Fachwelt überzeugt (vgl. Burisch 2014, S. 14) kann Burnout als Zustand von Frustration und Erschöpfung bezeichnet werden; zudem haben die Betroffenen keine Kraft und Motivation mehr, ihre beruflichen Tätigkeiten in der bisherigen Intensität und Qualität umzusetzen (vgl. Litzcke/Schuh/Pletke 2012, S. 154). Dies aufnehmend gehen wir von folgender Definition aus: „Wir sprechen von Burnout, wenn alle drei untenstehende Kriterien erfüllt sind. a. Es handelt sich um Fehlbelastung. b. Die Beschwerden dauern seit mehr als sechs Monaten an. c. Gefühle von Müdigkeit und Erschöpfung stehen deutlich im Vordergrund“ (Burisch 2014, S. 19).

Die volks- und betriebswirtschaftlichen Kosten für Burnout in Deutschland lassen sich nur schwer abschätzen. Die Schätzungen schwanken zwischen ein- und dreistelligen Milliardenbeträgen. Burich errechnet für Krankheiten mit psychischen Ursachen: „ein Unternehmen mit 1.000 Angestellten erleidet somit Verluste von 1.700 Arbeitstagen und gut € 1.100.000 pro Jahr“ (Burisch 2014, S. 241). Bei dieser überschlägigen Berechnung sind noch viele Punkte nicht eingerechnet: Die reduzierte Leistungsfähigkeit in der Vorphase der Erkrankung, die Auswirkungen auf die Kollegen und Mitarbeiter, die Wirkung auf Kunden. Die Folgewirkungen für die Betroffenen sind auch nicht berücksichtigt (vgl. Burisch 2014, S. 241).

Bei Mitarbeitenden führt „der Wandel der Arbeitswelt zu deutlichen Veränderungen in den Anforderungen“ (Lohmann-Haislah 2012, S. 178) und ist in den letzten Jahren im Gegensatz zu den Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und den Krankheiten des Atemsystems die Anzahl der Krankheitstage in Bezug auf psychischen Störungen und Verhaltensstörungen von 2008 bis 2011 von 41 Mio. auf 59 Mio. angestiegen (vgl. Nöllenheidt/Brenscheidt 27.02.2014, S. 59). Mit dem Anstieg der psychischen Störungen und Verhaltensstörungen ist die Anzahl an Burnout Erkrankungen deutlich gestiegen (vgl. Burisch 2014, S. 18).

Wer bekommt Burnout? „Die Persönlichkeit des Ausbrenners gibt es, da ist sich die Literatur einig, wahrscheinlich nicht“ (Schneider 2014, S. 16). Das Risiko setzt sich vielmehr aus einer Mischung aus persönlichen Komponenten, Variablen, die den Arbeitsplatz betreffen und den Anforderungen aus bestimmten Lebensphasen zusammen (vgl. Poulsen 2009, S. 16 f.)

Dass Burnoutprophylaxe sinnvoll sein kann, zeigen Studien, die den Zusammenhang von psychischer Belastung und Erkrankung belegen; auch wenn es nicht möglich ist, den Zusammenhang detailliert zu beziffern (vgl. Lohmann-Haislah 2012, S. 178). So stehen ca. 70 % der gesundheitlichen Probleme, die mit „allgemeiner Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung“ beschrieben werden, im engen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz.

Es geht darum, dass Organisationen verstehen, wie sie ihre Möglichkeiten nutzen können, um das Burnoutrisiko zu reduzieren. Zum Beispiel „durch mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitsausführung, mehr Partizipation an Entscheidungen, durch die Garantie von Arbeitsplatzsicherheit und das Angebot von Supervision und Coaching“ (vgl. Litzcke/Schuh/Pletke 2012, S. 166). Organisationen müssen lernen, mit ihren Strukturen auf die Bedürfnisse und Interessen ihrer Mitarbeiter positiv zu reagieren und diesen auch entgegenkommen. Mitarbeitende benötigen Autonomie bezüglich des Arbeitsstils und der Arbeitseinteilung, denn Maßnahmen, die Mitarbeitende autonom machen, wirken Burnout entgegen (vgl. Litzcke/Schuh/Pletke 2012, S. 166).

Führungskräfte haben einen hohen Einfluß auf Burnoutprophylaxe (vgl. Teller 2013, S. 1). Sie haben in Bezug auf Gesundheitsprävention und Arbeitsschutz am Arbeitsplatz sowie auf die Form der Entspannung, Bewegung und Ernährung eine Vorbildfunktion (vgl. Franke/Felfe Jörg 2011, S. 7).

Auch die Hinweise der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) machen deutlich, dass in der heutigen Arbeitswelt die Unterstützung durch die Vorgesetzten eine wichtige Funktion einnimmt. Die Unterstützung durch den Vorgesetzten bzw. die Vorgesetzte wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. So berichten Mitarbeitende, die gute Unterstützung durch die Vorgesetzten erleben, von weniger gesundheitlichen Beschwerden. (vgl. Nöllen­heidt/Bren­scheidt 27.02.2014, S. 67).

Neben den Führungskräften müssen auch die Mitarbeitenden in den Blick kommen. Nach Litzcke sollen sie frühzeitig lernen, ihre eigenen Kräfte aufzubauen, diese zu erhalten und entsprechend den Möglichkeiten einzusetzen. Dabei ist ein erster Schritt, dass die Mitarbeitenden einen achtsamen Umgang mit sich selbst finden. Denn das beste Frühwarnsystem ist, wenn Mitarbeitende die Warnsignale selbst erkennen (vgl. Litzcke/Schuh/Pletke 2012, S. 169). Poulsen liefert auch Hinweise, dass die Personen klare Strukturen einfordern sollen, „Solidarität üben, eine gute Arbeits- und Zeitplanung lernen, den Arbeitsplatz oder das Arbeitsfeld auch mal wechseln, Berufs- und Privatleben klar trennen“ (Poulsen 2009, S. 123 f.).

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Quellen

Burisch, Matthias: Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung, zahlreiche Fallbeispiele, Hilfen zur Selbsthilfe. 5. Aufl. Berlin [u.a.] 2014.

Franke, Franziska/Felfe Jörg: Diagnose gesundheitsförderlicher Führung – das Instrument „Health-oriented Leadership“. In: Badura, Bernhard (Hrsg.): Fehlzeiten-Report 2011. Führung und Gesundheit. (, Bd. 2011). Heidelberg 2011, S. 3–13.

Litzcke, Sven/Schuh, Horst/Pletke, Matthias: Stress, Mobbing und Burn-out am Arbeitsplatz. Umgang mit Leistungsdruck – Belastungen im Beruf meistern – Mit Fragebögen, Checklisten, Übungen. 6. Aufl. Dordrecht 2012.

Lohmann-Haislah, Andrea: Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden. Dortmund [u.a.] 2012.

Nöllenheidt, Christoph/Brenscheidt, Simone: Arbeitswelt im Wandel. Zahlen – Daten – Fakten. http://www.baua.de/de/Publikationen/Broschueren/A88.pdf?__blob=publicationFile&v=14. 27.02.2014.

Poulsen, Irmhild: Burnoutprävention im Berufsfeld soziale Arbeit. Perspektiven zur Selbstfürsorge von Fachkräften. 1. Aufl. Wiesbaden 2009.

Schneider, Erika: Sicherer Umgang mit Burnout im Unternehmen. Individuelle und unternehmenskulturelle Zusammenhänge. (SpringerLink : Bücher). Wiesbaden 2014.

Teller, Sabine: Pressemitteilung: Wo Mitarbeiter-Gesundheit Chefsache ist. „Deutscher Unternehmenspreis Gesundheit 2013“ geht an zehn Firmen mit Vorbildcharakter 2013. 10.03.2014.

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Definition Führung

Ein Beitrag von Dirk Werhahn

Es gibt eine Vielzahl an Definitionen für Führung. Folgende Beispiele verschaffen einen guten Einstieg in das Thema.

Für Wunderer ist Führung die soziale Beeinflussung der Mitarbeitenden, um die Wertschöpfung innerhalb einer Organisation zu erhöhen. Dafür sollen die Potenziale der Mitarbeitenden genutzt werden (vgl. Wunderer 2009, S. 4 f; Pracht 2012, S. 190).

Nach Rosenstiel werden im Rahmen der Führung die Geführten durch die Führungspersonen beeinflusst. Die Führungspersonen bewegen die Mitarbeitenden, Ziele zu erreichen, die in der Regel aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden (vgl. Rosen­stiel 2009, S. 3).

Wie diese beiden Definitionen zeigen, beschäftigen sich viele Disziplinen mit dem Thema Führung. Daher gibt es auch keine einheitliche Definition (vgl. Steinmann 2013, S. 593; Walenta 2012, S. 496). „Aktuellen Definitionen ist aber gemeinsam, dass (a) Führung ein Prozess ist, (b) die Beeinflussung anderer beinhaltet, (c) im Kontext einer Gruppe passiert, (d) die Erreichung von Zielen beinhaltet, und (e) diese Ziele von Führenden und Geführten geteilt werden“ (vgl. Walenta 2012, S. 496).

Die Einflussnahme durch die Führungskräfte kann unterschiedlich sein. Dabei wird unterschieden in Führung durch Gestaltung der Strukturen (Organigramme, Stellenbeschreibungen, Personalentwicklungsprogramme etc.) und Führung durch Personen (u. a. das Verhalten der Vorgesetzten, die Art wie sie Gespräche führen, Aufgaben koordinieren) (vgl. Rosenstiel 2009, S. 3).

Diese beiden Arten sind aufeinander bezogen (vgl. Giddens 1997, S. 79), denn die jeweilige Struktur und das jeweilige Handeln der Akteure sind keine Gegensätze, sondern integriert (vgl. Langer 2013, S. 25). Diese beiden Arten ergänzen sich in der Praxis: kann interaktive Führung so gut wie nicht erfolgen (z. B. wegen unterschiedlicher Standorte), kommt strukturelle Führung mehr zum Tragen. Besteht in Organisationen dagegen struktureller Mangel, dann fällt der interaktiven Führung mehr Bedeutung zu (vgl. Wunderer 2009, S. 13).

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Quellen

Giddens, Anthony: Die Konstitution der Gesellschaft. Grundzüge einer Theorie der Strukturierung. (Theorie und Gesellschaft, Bd. 1). 3. Aufl. Frankfurt/Main [u.a.] 1997.

Langer, Andreas: Professionell managen. Kompetenz, Wissen und Governance im Sozialen Management. (Soziale Investitionen). Wiesbaden 2013.

Pracht, Arnold: Betriebswirtschaftslehre für das Sozialwesen. Eine Einführung in betriebswirtschaftliches Denken im Sozial- und Gesundheitsbereich. (Grundlagentexte Soziale Berufe). 3. Aufl. Weinheim, Bergstr 2012.

Rosenstiel, Lutz v.: Grundlagen der Führung. In: Rosenstiel, Lutz v./Domsch, Michel/Regnet, Erika (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern. Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement. 6. Aufl. Stuttgart 2009, S. 3–27.

Steinmann, Horst: Management. Grundlagen der Unternehmensführung Konzepte – Funktionen – Fallstudien. [S.l.] 2013.

Walenta, Christa: Empirie der Führung. In: Heimerl, Peter/Sichler, Ralph (Hrsg.): Strategie, Organisation, Personal, Führung. (Bd. 3517). Wien 2012, S. 495–525.

Wunderer, Rolf: Führung und Zusammenarbeit. Eine unternehmerische Führungslehre. 8. Aufl. Köln 2009.

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Grundlagen Führung

Bevor über die Inhalte von Führung nachgedacht wird, stellt sich die Frage nach der Bedeutung, dem Sinn und der Notwendigkeit von Führung. Dass das Thema Führung von Bedeutung ist, zeigt die Tatsache dass Menschen sich „since the beginning of recorded history“ (Yukl 2014, S. 436) für Führung interessieren „and the study of leadership as a scientific discipline startet early in the last century“ (Yukl 2014, S. 436).

Hinsichtlich der Notwendigkeit von Führung zeigt Weibler zwei Begründungsstränge auf: Die anthropologische und die funktionale Begründung (vgl. Weibler 2001, S. 10).

Der US-Führungsforscher Yukl beschreibt die Notwendigkeit von effektiver Führung pragmatisch: So sei diese auf allen Ebenen der Gesellschaft und den Organisationen entscheidend, um die Probleme der wachsenden sozialen, ökonomischen und ökologischen Probleme zu lösen (vgl. Yukl 2014, S. 436).

Unter diesen Annahmen ist Führung ein wesentliches Element, um eine arbeitsteilige Gesellschaft zu ermöglichen (vgl. Wunderer 2009, S. 26) und als Grundphänomen mit der menschlichen Entwicklung verbunden (vgl. Steiger 2013, S. 36). So gibt es „kein soziales System, keine menschliche Gemeinschaft – Familien, Gruppen aller Art, Organisationen aller Art, Staaten – in denen Fragen der Führung, Vorherrschaft, Macht und Einfluss nicht von Bedeutung sind“ (Steiger 2013, S. 36).

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Quellen

Steiger, Thomas: Das Rollenkonzept der Führung. In: Steiger, Thomas/Lippmann, Eric (Hrsg.): Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte. Führungskompetenz und Führungswissen. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Berlin, Heidelberg 2013, S. 35–61.

Weibler, Jürgen: Personalführung. München 2001.

Wunderer, Rolf: Führung und Zusammenarbeit. Eine unternehmerische Führungslehre. 8. Aufl. Köln 2009.

Yukl, Gary: Leadership in Organizations. 18. Aufl. Noida 2014

Begründung für Führung

Ein Beitrag von Dirk Werhahn

Hinsichtlich der Notwendigkeit von Führung zeigt Weibler zwei Begründungsstränge auf: Die anthropologische und die funktionale Begründung (vgl. Weibler 2001, S. 10).

Die anthropologische Begründung hebt darauf ab, dass Menschen zum einen unterschiedliche Fähigkeiten haben und es zum anderen bei den Mitgliedern der Gesellschaft eine unterschiedliche Bereitschaft zur Problemlösung gibt (vgl. Weibler 2001, S. 10). Zudem sind Menschen nicht im gleichen Maße bereit, Verantwortung zu übernehmen: Daher wollen sie von anderen geführt werden (vgl. Weibler 2001, S. 11). Mit der Annahme der unterschiedlichen Fähigkeiten ist die Vorstellung verknüpft, dass nur eine geordnete Gesellschaft wünschenswert ist. Der Wunsch nach Führung weist auf das Bedürfnis hin, von starken Persönlichkeiten geführt zu werden (vgl. Weibler 2001, S. 11). Sowohl über die Begründung einer geordneten Gesellschaft, wie auch dem grundsätzlichen Wunsch nach Führung kann kritisch nachgedacht werden: Zumindest die Frage nach dem Bedürfnis nach Führung legt die Frage nahe, ob es das Bedürfnis geben würde, wenn es nicht geweckt werden würde (vgl. Weibler 2001, S. 11).

Die funktionale Begründung hebt nach Weibler darauf ab, dass Führung die Lebensbewältigung und die Lebensverbesserung von Menschen zum Ziel hat. Viele Problemlösungen lassen sich nur bewerkstelligen, wenn es Interaktionen zwischen Menschen gibt. Diese Interaktionen lösen schon ab zwei Menschen Koordinationsbedarf aus. Dieser Bedarf kann auf zwei Arten gelöst werden: Kooperation oder Führung (vgl. Weibler 2001, S. 11).

Kooperation sorgt für Koordination zwischen tendenziell gleichberechtigten Handelnden.

Führung basiert hingegen auf unterschiedlichen Machtverhältnissen zwischen den Akteuren (vgl. Weibler 2001, S. 12 f). Führung zur Lösung von Koordinationsproblemen wird eingesetzt, wenn folgende Annahmen zutreffen: (1) Nicht alle Koordinationsformen sind gleich effizient und effektiv. (2) In Bezug auf Effizienz und Effektivität wird ein Optimum angestrebt und (3) Führung ist die einzige Kooperationsform, die das Optimum erreichen kann (vgl. Weibler 2001, S. 12). In Organisationen wird Führung aus funktionalen Gründen zur Koordination gewählt (vgl. Weibler 2001, S. 13).

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Quelle

Weibler, Jürgen: Personalführung. München 2001.

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Führungssituation

Ein Beitrag von Dirk Werhahn

Die Forschung zur Führungssituation basiert auf den Überlegungen zu den Führungsstilen (vgl. Steiger 2013, S. 43). So lautet die Grundfrage: „Welcher Führungsstil bringt unter welchen situativen Bedingungen den besten Führungserfolg?“ (Steiger 2013, S. 44)

Rosenstiel stellt hierzu fest, dass Führungskräfte sich je nach Situation verhalten müssen (vgl. Rosenstiel 2009, S. 12 f). Den Raum für die Führungssituation steckt Weibler wie folgt ab: „Das gesamte Umfeld der Führungsbeziehungen können wir als Führungssituation bezeichnen“ (Weibler 2001, S. 74). Mit dem Blick auf die Führungssituation wird verstärkt die Notwendigkeit verbunden, dass Führungskräfte mit ihren Mitarbeitenden in Austausch kommen sollen und dabei Visionen zu entwickeln haben, auch um diese zu motivieren (vgl. Baecker 1994, S. 33). Zudem müssen Führungskräfte entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Situation und dem jeweiligen Ziel die entsprechenden Anforderungen anpassen (vgl. Rosenstiel 2009, S. 13).

Diese Situationen sind charakterisiert durch die Beziehung zu den Mitarbeitenden, durch die Positionsmacht, die sich aus der Position in der Hierarchie des Unternehmens ergeben und daraus, wie hoch der Strukturierungsgrad der Aufgabe ist (vgl. Stock-Homburg 2013, S. 494).

Steiger fasst die Merkmale zusammen, mit denen Führungssituation beschrieben werden: es geht um den Einfluss von Führungskräften auf die Gestaltung der Führungssituation. Zudem ist es abhängig von der Art der Aufgabe. Außerdem sind die Beziehungen zwischen den Führungskräften und den jeweiligen Gruppenmitgliedern relevant. Darüber hinaus ist ein weiteres Merkmal die Art der Gruppenmitglieder (vgl. Steiger 2013, S. 44).

Ein Führungskonzept, das die jeweilige Situation aufnimmt, ist das „Kontingenzmodell“ von Fiedler aus dem Jahr 1967. Nach Rosenstiel nimmt Fiedler an, dass die Situation von drei Faktoren abhängt, die statisch und voneinander unabhängig sind (vgl. Rosenstiel 2009, S. 14):

  1. Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden,
  2. die Struktur der Aufgaben sowie
  3. die Positionsmacht der Führungskraft .

Das Ergebnis der Studien von Fielder fasst Rosenstiel zusammen: „In günstigen und ungünstigen Führungssituationen ist ein aufgabenorientierter Vorgesetzter erfolgreicher, während in „mittleren“ Führungssituationen ein mitarbeiterorientierter Vorgesetzter eher erfolgreich sein wird“ (Rosenstiel 2009, S. 14). Auch wenn es starke Kritik an dem Kontingenzmodell von Fielder gab, ist nach Rosenstiel festzuhalten, dass es Fielder gelungen sei, ein Modell zu entwickeln, das die Situation in die Führungstheorien aufnahm. Dadurch regte er weitergehende Arbeiten an situativen Führungsmodellen an (vgl. Rosenstiel 2009, S. 16).

Das „Reifegradmodell“ von Hersey/Blanchard aus dem Jahr 1977 nimmt die Ergebnisse der Ohio-Studien auf (vgl. Rosenstiel 2009, S. 16). Die Dimensionen Mitarbeiterorientierung und Aufgabenorientierung werden als unabhängig beschrieben, aber in Bezug zur Situation gestellt (vgl. Rosenstiel 2009, S. 16). Der zentrale situative Parameter wird als „Reifegrad“ der Mitarbeitenden beschrieben (vgl. Wunderer 2009, S. 211 f). Der Vorgesetzte hat die Aufgabeneignung und die soziale Eignung des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin zu analysieren und dann den dafür passenden Führungsstil auszuwählen (vgl. Wunderer 2009, S. 212). Nach Wunderer sollten die Führungskräfte alle Führungsstile beherrschen, da die jeweiligen Mitarbeitenden unterschiedliche Qualifikationen und Motivationen mitbringen (vgl. Wunderer 2009, S. 212). Nach Rosenstiel wird das Modell stark kritisiert, u. a. weil es nicht ausreichend empirisch belegt werden kann. Doch sorgt die Plausibilität des Ansatzes für hohe Beliebtheit in der Praxis der Führungstrainings (vgl. Rosenstiel 2009, S. 17).

Merchel beschreibt die Hinzuziehung der „Situation“ als eine Weiterentwicklung der Führungsansätze. Seiner Auffassung nach sollten die Führungskräfte ihr Führungsverhalten vor dem Hintergrund der jeweiligen Situation reflektieren können (vgl. Merchel 2010, S. 72 ff).

Hingegen kritisiert Neuberger die situativen Führungsansätze sehr deutlich: „Es handelt sich um ein atheoretisches, apolitisches und asymbolisches Grundkonzept, das das Führungsproblem trivialisiert“ (Neuberger 2002, S. 529). Seine Argumente werden nachstehend zusammengefasst (vgl. Neuberger 2002, S. 528 ff):

  • Situatives Führen rechtfertigt jedes Verhalten, da argumentiert werden kann, dass die jeweilige Situation dies so erfordert hat.
  • Zudem fördert es die Anpassung der Führungskräfte an die jeweilige Situation, mit dem evolutorischen Nachteil, dass zu angepasste Spezies bei Veränderungen der Rahmenbedingungen Schwierigkeiten bekommen.
  • Darüber hinaus werden moralische Ansprüche wie kooperative Führung zugunsten der einzigen Bezugsgröße, dem ökonomischen Erfolg, aufgegeben.
  • Situatives Führen basiert auf der Paradoxie, dass Führungskräfte durch ihre Handlungen Strukturen erzeugen, die die Situationen schaffen, die dann auf das Führen wirken.
  • Zudem basiert situatives Führen auf den Dimensionen Mitarbeitenden- und Aufgabenorientierung, verkennt dabei zwei weitere wichtige Dimensionen, die entscheidende Auswirkung auf Führen haben: Profit und Macht.

Steiger fasst seine Kritik wie folgt zusammen: „Offenbar sind die Zusammenhänge zwischen Situation, Führung und Erfolg sehr viel weniger eng – bzw. es sind sehr viele verschiedene Verhaltensweisen mit verschiedenen Führungssituationen verträglich“ (Steiger 2013, S. 44).

Bei aller Kritik ist es so Steiger mit dem Situationsansatz gelungen, das Führungsverständnis deutlich zu ergänzen und auszuweiten. Es wurden die sehr einfachen Empfehlungen hinsichtlich der Führungsstile zwar nicht gänzlich aus der Welt geschafft, jedoch wurde ihr Einfluss zumindest deutlich eingeschränkt (vgl. Steiger 2013, S. 44).

Insgesamt ist festzuhalten: Die Führungsstilforschung – auch nach Einschluss der Situation – hat zwar historische Bedeutung, es wurde jedoch deutlich, dass der richtige Führungsstil nicht bestimmt werden kann, um Führungserfolg zu generieren (vgl. Steiger 2013, S. 44).

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Quellen:

Baecker, Dirk: Postheroisches Management. Ein Vademecum. (Internationaler Merve Diskurs, Bd. 185). Berlin 1994.

Merchel, Joachim: Leitung in der sozialen Arbeit. Grundlagen der Gestaltung und Steuerung von Organisationen. 2. Aufl. Weinheim 2010.

Neuberger, Oswald: Führen und führen lassen. Ansätze, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung. (UTB für Wissenschaft, Bd. 2234). 6. Aufl. Stuttgart 2002.

Rosenstiel, Lutz v.: Grundlagen der Führung. In: Rosenstiel, Lutz v./Domsch, Michel/Regnet, Erika (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern. Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement. 6. Aufl. Stuttgart 2009, S. 3–27.

Steiger, Thomas: Das Rollenkonzept der Führung. In: Steiger, Thomas/Lippmann, Eric (Hrsg.): Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte. Führungskompetenz und Führungswissen. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Berlin, Heidelberg 2013, S. 35–61.

Stock-Homburg, Ruth: Personalmanagement. Theorien – Konzepte – Instrumente. (Lehrbuch). 3. Aufl. Wiesbaden 2013.

Weibler, Jürgen: Personalführung. München 2001.

Wunderer, Rolf: Führung und Zusammenarbeit. Eine unternehmerische Führungslehre. 8. Aufl. Köln 2009.

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